28.3.-9.4.2018

Während viele von euch die Osterferien mit Reisen, Sonne, Strand oder Wandern verbracht haben, habe ich mich ganz spontan auf ein spirituelles Abenteuer begeben. Wirklich spontan. Am Mittwochmorgen um 10 Uhr bekam ich die Möglichkeit, in ein Vipassana-Retreat einzutauchen.


Ich hatte mich im Januar dafür beworben, weil ich in dem Podcast von Laura Seiler davon gehört hatte, dass es das in der Nähe von Kapstadt gibt.

Vipassana

Vipassana bedeutet „to see who you truely are“. Es ist eine Meditionstechnik, die man in 10 Tagen in völligem Schweigen erlernt.
Sie gehört zu keiner Religion oder Gurutum, es ist ein Angebot, das zu lernen, um mit klarem Geist ein glückliches Leben zu führen.
Ich fühlte mich nach meinen Projekten, Reisen und Coachings so „ready“ so etwas nun einmal auszuprobieren:
Mit einer Portion Respekt im „Gepäck“, was diese Zeit mit mir machen würde. Doch schon einmal im Leben hatte mich Meditation geheilt und so war ich gespannt, was es dieses Mal bei mir bewirken würde. Suche ich doch schon so lange nach der Aufgabe im Leben, die mich richtig erfüllt.

Da ich mich seit 2 Monaten auf der Warteliste befand, hielt ich es schon fast nicht mehr für möglich. Dennoch trieb mich eine innere Kraft, an dem Morgen dort anzurufen, ob es spontane Absagen gab. Der Lehrer war persönlich dran und er meinte, ich solle einfach kommen, wir würden mich schon unterkriegen…

Ich fand über die Website noch schnell eine Mitfahrgelegenheit (es hatte wohl alles so sein sollen) und eine Stunde später saß ich mit 5 interessanten Fremden in einem Auto auf dem Weg ins Schweigen.
Mein Gepäck ließ ich in der Zirkusschule und meinte spontan, ich müsse jetzt mal 10 Tage weg, packte das Nötigste und verschwand…

Los geht’s

Zwei von den Mitfahrern hatten dieses Retreat schon mal gemacht und ich war natürlich ganz neugierig, wie es war und warum man so was dann nochmal macht.
Es würde die ewigen kreisenden Gedanken beruhigen und endlich Klarheit und Zufriedenheit bringen. Das, was ich so lange schon suchte…
Wie das allerdings passiert, konnten Sie mir allerdings auch nicht genau sagen, man müsse es „erfahren“.
Viele Frage Zeichen in meinem Kopf.

Nach einer Stunde kamen wir in den Bergen von Worcester an. Das liegt hinter der Weinregion Stellenbosch, ca. 100 km von Kapstadt.

Noch fand ich die Natur und die Landschaft herrlich, während der langen Schweigezeit hatte man allerdings jede Bergspitze 20 mal beobachtet und auch gefühlt jeden Grashalm und jedes Blatt…
Doch eins nach dem anderen.

Day 0

Der Mittwoch ist der Ankunftstag, wo man noch die Möglichkeit hat, die Menschen kennenzulernen, die man dann 10 Tage in Stille um sich hat.

Ich lernte eine Deutsche kennen, Dana, die verrückterweise auf die gleiche Empfehlung wie ich hier war: Aufgrund des Podcasts von Laura Seiler. Bizarr, dass zwei von 6 Millionen Hörern im gleichen Retreat sich treffen, denn diesen 10-Tages-Kurs gibt es hier jeden Monat…
Es tat irgendwie gut, jemanden zu kennen und vielleicht durch einen freundlichen Blick in den nächsten Tagen etwas „Halt“ zu haben. Dachte ich – bis um 18 Uhr die Regeln erklärt wurden.

Die Regeln

Die Regeln der sogenannten „Edlen Stille“ (noble silence) sind:
Kein Blickkontakt
Keine Gesten
Keine Sprache
Trennung von Männern und Frauen
Kein Handy
Kein Stift und Papier
Keine Bücher
Kein Sex
Kein Alkohol

Mit einem Gong begann die Stille zum Abendessen. Bereits da sitzt man an Tischen, die zur Wand gerichtet sind, damit die Versuchung der Kontaktaufnahme nicht besteht.

Das Essen ist vegetarisch, meist sogar vegan, wie sich in den folgenden Tagen herausstellte.
Dennoch recht lecker.

Die nächste Überraschung folgte: der Lehrer hatte es gutgemeint, mich aufzunehmen, aber eigentlich war kein Zimmer mehr frei. Normalerweise hat man einfache Einzelzimmer mit Bad, ich wurde in ein Doppelzimmer gesteckt.

Meine Nachbarin und ich hatten uns vor der Stille nicht kennengelernt. Das heißt, wir waren nun 10 Tage in einem Zimmer, durften uns nicht anschauen, unterhalten oder wenigstens gestikulieren. Ich schätze, mit jeder anderen hätte ich irgendwann die Regeln gebrochen, doch diese Taiwanerin war stoisch!

Der einzige Moment, wo wir gemeinsam perfekt zusammen agiert haben, war, als wir zwei riesige Spinnen im Zimmer hatten.
Und da auch eine Regel „no killing“ ist, mussten wir die Viecher ja lebend aus dem Zimmer befördern.

Mein Meditationsplatz

Am Abend gab es schon eine kleine Einführung in der Mediationshalle. Ein HInweis: Solltest du je überlegen, ein Vipassana-Retreat zu machen, greife alles, was dir einen gemütlichen Platz ermöglicht. Du musst hier viele Stunden drauf sitzen…

In der Meditationshalle sitzen links die Männer und rechts die Frauen.

Bei der ersten Meditation am Abend von 8-9 durfte man sich so viele Kissen und Decken für seinen Platz aussuchen wie man wollte, denn da musste man ja gute 30 Stunden (!!!) darauf verbringen.

Beim Meditieren gibt es die Regeln:
Kein Anlehnen
Kein Hinlegen
Keine Füße Richtung Lehrer strecken

Der Lehrer

Es gibt einen Lehrer, der ganz normal aussieht, kein buddhistisches Gewand oder ähnliches, einfach bequeme Kleidung und Strickjacke.

Er ist der einzige, zu dem man sprechen kann von 12-13 Uhr jeden Tag.

Er hält den Rahmen der Meditation, aber die Vipassana-Gesänge (sehr gewöhnungsbedürftig), die Anleitungen der Meditationen und die Diskurse kommen vom Band von Goenka aus Burma, der diese Meditationsform verbreitet.

Als ich den „Gesang“, der ca.3-5 Minuten am Anfang und Ende jeder Mediation ist, das erste Mal hörte, dachte ich, das ertrage ich keine 10 Tage, denn es ist eher ein Jaulen und Abbrechen der Stimme:

Aber man gewöhnt sich an alles…

Day 1 – Der Tagesablauf

Der Tag beginnt um 4.00 mit einem Gong zur ersten Mediation um 4.30.
Da ich mich normalerweise von meinem Handy wecken lasse, hatte ich nun keine Uhr und leider war der Gong bis zu unserem Haus nicht laut genug oder meine Schlaf zu tief. Jedenfalls wachte ich irgendwann im Dunkeln auf und die Taiwanerin war weg. Schalftrunken lief ich zur Meditationshalle und hörte schon den brummenden Gesang. Die Uhr zeigte 5.30 Uhr. Na das ging ja gut los, eine Stunde zu spät.

Wie sich für mich Tage später erschloss ist diese Zeit freiwillig, ob man im Zimmer oder in der Halle meditiert, ist jedem selbst überlassen. Dennoch war es eine interessante Atmosphäre wie 50 Menschen unbeweglich mit knurrenden Mägen im Halbdunkeln sitzen.

Um 6.30 Uhr gibt es Frühstück begleitet von den Vipassana-Gesängen.

Der Tag besteht eigentlich nur aus schlafen, essen und meditieren. Das Highlight war immer abends der Diskurs, wo man lernt, warum man stundenlang seinen Körper von Kopf bis Fuß und wieder zurück „durchscannt“.

Kurios war, dass es aufgrund dieses Tagesablaufs bereits um 11 Uhr Mittagessen gab und dann – die nächste Überrschung am ersten Tag – um 17 Uhr nochmal einen Teller Früchte, aber kein Abendessen. Es würde sich besser meditieren, wenn der Magen nur 3/4 gefüllt sei…

Innerlich scheint sich viel zu tun, auch wenn man vermeintlich den ganzen Tag nichts tut, denn selten war ich abends so müde und ging um 20.30 Uhr ins Bett. Eine andere Alternative gab es ja eh nicht:)

10 Tage Stille

Die nächsten 9 Tage sahen exakt gleich aus. Ich kann nur sagen 10 Tage in Stille können extrem lang sein. Schon am 3.Tag war es mir ein Rätsel, wie ich so noch 7 Tage überstehen sollte.

Dennoch war es spannend, seine Gefühle und physischen Empfindungen zu beobachten. IN den ersten drei Tagen lernt man in den drei Sitzungen am Tag nur seinen Atem zu beobachten und die Empfindungen in dem Dreieck zwischen Nase und den beiden Mundwinkeln zu beobachten und man fühlt so viel!

Mal ein Bitzeln, Kribbeln, Kälte, Wärme oder Spannung.

Ab dem vierten Tag beginnt Vipassana richtig, ab da darf man die ganze Stunde seine Position nicht ändern und man lenkt seine Aufmerksamkeit durch jeden Körperteil. Empfindet man Schmerzen oder andere Gefühle, bleibt man mit der Aufmerksamkeit an der Stelle und wartet bis es vorbei geht. Denn alles ist im Fluss und nichts bleibt wie es ist. Und tatsächlich geht der Schmerz vorbei!

Darauf beruht die ganze Meditationsform. Durch das lenken der Aufmerksamkeit zu den physischen Empfindungen, kommen negative Erfahrungen hoch. Manchmal ertappt man sich, dass der Geist dann minutenlang um ein Thema kreist, bis es einem bewusst wird und man seine Aufmerksamkeit wieder in den Körper lenkt.

So würde man über kurz oder lang den Geist beruhigen. Alte negative Erfahrungen, auf die man sonst immer mit Gefühlen reagiert, beobachtet man nun nur noch und konzentriert sich darauf, dass dieses Gefühl auch wieder vergeht.

Darüber lösen sich negative Gedanken und Gefühle langsam auf und man komme mit viel Übung zu mehr Zufriedenheit und Klarheit im Leben.

Aber man müsse es eben erfahren, daher begibt man sich auch in die Edle Stille.

Daher kostet das Retreat übrigens auch nichts. Es ist ein Angebot, diese Mediationsform zu lernen und für diese 10 Tage keine Ansprüche an Essen, Unterkünft und Bequemlickeit zu haben. Wenn man danach einen Effekt spüre, dürfte man etwas spenden.

Mein Effekt

Es ist nicht einfach zu beschreiben, dennoch hatte ich bereits am 7. Tag Momente, wo ich so angenehm ruhig war, die Gedanken über meine Zukunft zogen einfach so vorbei und fühlten sich nicht mehr wie eine Riesenhürde an. Da wuchs ein Vertrauen in mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin, die richtigen Menschen treffen werde und mein Ding finden würde.

Ganz still war der Geist nie, dennoch durch das Beobachten der Empfindungen ist irgendwie im Kopf Ruhe eingekehrt und innerlich war plätzlich viel mehr Platz für neue Ideen, wenn Zweifel und Sorgen endlich mal aufhören. Ich hab mich irgendwie „ausgedehnt“ gefühlt.

Day 10

Der zehnte Tag gilt als „Schockabsorber“. Um 10 Uhr nach der Morgenmeditation darf man aus der Stille auftauchen. Sehr merkwürdig, wenn sich die ersten anschauen und man wieder sprechen darf. Große Erleichterung bei den meisten, Stolz, Freude und manchmal flossen auch Tränen.

Der Austausch mit den Menschen, die man 10 Tage nur in Stille erlebt hatte, war unglaublich. Zu hören, wie es ihnen ergangen war, war berührend und auch wie ich selbst von ihnen war genommen wurde.

Hatte ich mit meinem kleinen Sitztürmchen wohl die Reihe hinter mir unterhalten, ohne es zu wissen. Das Nackenkissen auf dem ich so schön flexible sitzen konnte, hätten einige hinter mir wohl gerne gehabt. Lynette sagte mir jedenfalls: „Thanks for entertaining me for days with your ceremenoy of the cussions and your lovely charcater.“

Ich hatte nicht mal gemerkt, dass mich jemand beobachtet hatte.

Auch mit der Taiwanerin, die sich mir als Hiau-Lin vorstelle, war es besonders, sich nach 10 Tagen in einem Zimmer endlich persönlich kennenzulernen, nachdem wir alle Schalfgewohnheiten, Klogönge und Meditationsposen voneinander kannten.

Mikaela (rechts) wohnte im gleichen Haus, aber im Nebenzimmer und sie hatte mit einem Baby im Bauch die Tage auch ganz besonders erlebt.

Fazit

 

Ich habe mich anders kennengelernt, verstanden, was Gefühle mit dem Körper machen, und wie angenehm es ist, wenn man versteht, wie man mit seinem Geist umgeht. Dabei ist eine große, echte Dankbarkeit für dieses wundervolle Leben aufgekommen und ich habe mich selbst nochmal ganz anders wertschätzen gelernt.

Und ja: Man geht mit einem Lächeln im Gesicht. Ob es die Erleichtung ist, dass man wieder reden darf, weil man innerlich freier geworden ist oder weil man so viele wunderbare Menschen getroffen hat, kann jeder selbst für sich interpretieren.

Ich kann es jedem empfehlen. Ob ich es allerdings jedes Jahr einmal mache, wie es der Lehrer vorschlägt, lasse ich mal noch offen.

Fakt ist, dass es Kurse von 10, 20, 45 und 60 Tagen gibt…

Wer sich informieren will, hier ist die offizielle Website.

https://www.dhamma.org